Training der geraden Bauchmuskulatur. Neue Studie, welche auch allgemein übertragbar ist!

 

 

Rectusdiastase

 

Gynäkologie

Gerade Bauchmuskel trainieren nach der Entbindung?

 

Der Einfluss eines 12-wöchigen Bauchmuskelprogramms auf die Rectus Diastase nach einerSchwangerschaft – Publikation gewann den diesjährigen PEDro-Preis für die beste Studie.
Die Rectusdiastase ist ein häufiges Problem von Frauen nach der Entbindung. In der klinischen Versorgung teilt sich die Diskussion in zwei Lager. Die Fronten driften anscheinend genau so weit auseinander, wie die Lücke zwischen den geraden Bauchmuskeln.

 

Einerseits gibt es Befürworter der gezielten Beübung“, andererseits die Aussage „auf keinen Fall Training“ des Rectus abdominis. Auf beiden Seiten fehlt es aber häufig an stichhaltigen Argumenten. Doch in den letzten Jahren erhärten sich die wissenschaftlichen Daten und schaffen allmählich Klarheit inder Diskussion. Bereits im Jahr 2016 wurde eine Beobachtungsstudie im Journal of Orthopedic Sports PhysicalTherapy (JOSPT) veröffentlicht, die verschiedene Bauchmuskelaktivitäten miteinander verglich.Diese kam zum Ergebnis, dass alle gezielten isotonischen (dynamischen) Übungen die Inter-Recti-Distanz (IRD) verringern. Das Kopfheben und der Curl-Up (aus dem engl. für "sichzusammenrollen", ähnlich einem Crunch) erwiesen sich als besonders effektiv.

Dem gegenüber verursachten isometrische Anspannung des Beckenbodens oder das Einziehen der Bauchmuskelneher eine Vergrößerung der Lücke zwischen den Muskelbäuchen.

Ein norwegisches Forscherinnenteam veröffentlichte 2020 ebenfalls eine Arbeit die sich mit den Kurzzeiteffekten der verschiedenen Übungen auseinandersetzte.

Die Kolleginnen aus Norwegen untersuchten nun in einer neuen Studie ganz gezielt den Einfluss der Langzeitanwendung von Curl-Ups auf die Diastase bei Frauen nach einer Entbindung.Während in der Arbeit aus 2016 und 2020 der direkte Effekt während der Übungen betrachtetwurde, befassten sich die Forscherinnen in der aktuellen Studie mit der Auswirkung eines progressiven Aufbautrainings über 12 Wochen hinweg.


Methodik


Ein im Umgang mit der Ultraschalldiagnostik der Inter-Recti-Distanz geschulter Physiotherapeut nahm zu Beginn der Studie die Daten aller Frauen auf. Anschließend wurden die 70Teilnehmerinnen in eine von zwei Gruppen randomisiert.
Die Interventionsgruppe erhielt das bereits erprobte Übungsprogramm zum gezielten dynamischenTrainieren der geraden Bauchmuskeln.

Dieses bestand aus drei Manövern. Dem Kopfanhebenfolgten schräge Curl-Ups (zu beiden Seiten) und klassische Curl-Ups. Die Intensität wurde allezwei Wochen gesteigert.


• 1. + 2. Woche: 1 x 8 Wiederholungen
• 3. + 4. Woche: 1 x 10 Wiederholungen
• 5. + 6. Woche: 2 x 10 Wiederholungen
• 7. + 8. Woche: 2 x 12 Wiederholungen
• 9. + 10. Woche: 3 x 10 Wiederholungen
• 11. + 12. Woche: 3 x 12 Wiederholungen


Außerdem wurden ab der fünften Woche bei den beiden Curl-Up-Varianten noch Haltemomente inder Endestellung eingefügt. Zunächst für eine und ab der siebten Woche für zwei Sekunden. Inden letzten beiden Wochen sollten bei der geraden Curl-Up-Übung die Hände nicht mehr vor der Brust gekreuzt, sondern wie beim Crunch in den Nacken gelegt werden.
Der Kontrollgruppe wurden für den Studienzeitraum alle Bauchmuskelübungen untersagt. Allgemeine Physiotherapie und das Krafttraining anderer Muskeln war erlaubt. Eine gezielte Intervention erhielten sie allerdings nicht. Somit fällt dieses Vorgehen unter ein sogenanntes Wartelisten-Kontroll-Prinzip.


Die ProbandInnen


Eingeschlossen wurden 70 Frauen, bei denen sechs bis 12 Monaten nach einer Entbindung eine Rectusdiastase diagnostiziert wurde. Bei der Art der Schwangerschaft und der Niederkunft gab es keine Einschränkungen. Die beiden Gruppen waren im Allgemeinen (Alter, Größe, Gewicht, …) homogen. Leichte Unterschiede zeichneten sich in der Art der Entbindung ab. In derKontrollgruppe waren deutlich mehr Kaiserschnitte (24 Prozent) vertreten als in derInterventionsgruppe (drei Prozent).

 


Ergebnisse


Die primäre Frage war, ob die Distanz zwischen den Muskelbäuchen des Rectus abdominis durchdas gezielte Training verändert werden kann. Die Messstellen waren standardisiert auf zwei Zentimeter oberhalb und unterhalb des Bauchnabels definiert.

Cranial verbesserte sich die IRD inder Trainings- und der Kontrollgruppe über die 12 Wochen etwa gleich stark. Sowohl im entspannten Zustand als auch während eines Curl-Ups.
Unterhalb des Bauchnabels unterschieden sich die Ergebnisse zwischen den Gruppen allerdings deutlich.

Während sich in der Interventionsgruppe eine Besserung einstellte, verschlechterten sich die Werte in der Kontrollgruppe sogar. Dies sowohl in Ruhe als auch in Aktivität.
Ebenso wurde die Muskeldicke und -kraft betrachtet. Während in der Kontrollgruppe keine Veränderungen sichtbar wurden, konnte bei der Trainingsgruppe eine deutliche Zunahme der Kraftund auch der Muskelmasse festgestellt werden.


Die für die klinische Praxis vielleicht wichtigste Frage war die Häufigkeit von Nebenwirkungen im Beckenbodenbereich, dem unteren Rücken, Beckenring und/oder Abdomen. Dafür wurde ausgewertet, wie häufig Beschwerden auftraten. Anders als häufig propagiert, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass auch der Beckenbodenbereich vom gezielten Training der geraden Bauchmuskeln profitiert. Denn die Häufigkeit von Beschwerden im Beckenboden war in derTrainingsgruppe sogar um 53 Prozent seltener als in der Kontrollgruppe. Ein ähnliches Bildzeichnete sich bei Rücken- (22 Prozent seltener) und Abdomenschmerzen (113 Prozent seltener) ab. Nur bei Schmerzen im Beckenring traten häufiger Schmerzen (29 Prozent) auf.
Allerdings scheint dies sehr individuell zu sein. Daher ergab sich eine sehr breite Streuung der Ergebnisse und somit keine statistische
Signifikanz.
Neben der Häufigkeit wurde in einem weiteren Schritt der Schweregrad der Symptome abgefragt. Mittels validierter Fragebögen konnte einegenaue Auswertung durchgeführt werden. Auch hier sprachen die Ergebnisse eher für das Trainingder geraden Bauchmuskeln.

 

Fazit 


Entgegen der häufig vertretenen Meinung birgt das gezielte Training des Rectus abdominis kein erhöhtes Risiko für den Beckenboden oder bzgl. anderer Nebenwirkungen. Im Gegenteil, es scheint bei den meisten Frauen hierauf sogar eher positive Effekte zu erzielen. Wie auch schon viele Arbeiten vorher bestätigt diese Forschung, dass Curl-Ups und Crunches die Rectusdiastase verringern.


Martin Römhild / physio.de

 

Druckversion | Sitemap
© Physiotherapie Plaisir


Anrufen

E-Mail

Anfahrt